Wir erzählen dem Commander von Palorinya, warum wir ihn aufgesucht
haben. Wir hatten in den letzten Tagen
entschieden, diesen Besuch zu wagen, weil unsren Mitarbeitern mitgeteilt
worden war, dass nun auch den ca. 20 Patenkindern des KHW und einer kanadischen
Partnerorganisation wegen des wütenden
Bürgerkriegs im Süd-Sudan nichts anderes übrig geblieben ist als ebenfalls zu
flüchten. Einen Bericht, dass ein Patenkind
getötet wurde, können wir immer noch nicht bestätigen, fast alle Kinder haben sich
in den letzten Tagen bei ihren Betreuern melden können. Nun ist uns auch in Deutschland eine größere
Summe für eine Hilfsmaßnahme angeboten worden und wir nutzen diese Gelegenheit, um auch
diese Möglichkeit konkret zu prüfen.
Wir verlassen unsere Unterhaltung mit einem dankbaren
Herzen. Dass Bildung und Ausbildung so
dringlich in seinen Augen sind, läßt uns hoffen, dass ein Projekt hier sehr gut
umzusetzen sein wird. Denn Schulen sind ein Schwerpunkt der Arbeit hier in
Uganda. Nun fahren wir in die Lager, um
uns einen Eindruck der Alltagssituation und der Camporganisation zu machen.
Die Headquarters sind professionell und ausufernd
aufgebaut. Es gibt Meldezelte für
Menschen, die ihre Angehörigen suchen, medizinische Bereiche, Verteilzentren …
alles halt in großen Zeltanlagen. Immer
wieder fahren wir auch an Wassertanks vorbei neben Pumpenanlagen, wie wir sie
kennen und überall in den Dörfern seit Jahrzehnten hier einrichten. Mit
einfachsten Mitteln ist hier die Notversorgung der Menschen gesichert
worden. Ich erinnere mich an die Worte
des Direktors, dass zwischen Oktober und Februar sogar die Tiere am Sterben
waren - wegen der großen Dürre, die Uganda traf - und wie dankbar er war, dass
diese momentan vorbei sei. Konstant fahren große Wassertanker vorbei, die
unterstreichen, wie dringend eine große Wasserpipeline vom 5km entlegenen Fluß
ist – die Hand- und Solarpumpenanlagen befördern einfach nicht genug Wasser für
die ansteigende Bevölkerung.
Tatsächlich treffen wir hier im Zentralcamp wieder Julius –
unser Fahrer hatte mit ihm Nummern ausgetauscht, nachdem er gestern bei der
Reifenpanne spontan ausgeholfen hatte.
Er steigt ein und wird unser „Navi“ für den Rest der Reise. Die Mobilfunkverbindung ist schrecklich,
obwohl dieses Werkzeug GANZ wichtig ist für solch eine Notsituation wie das
Campleben. Moses Abasoola, unser KHW
Mitarbeiter in UG seit 1993, kann tatsächlich telefonisch Verbindung mit einem
Patenkind von Furaha, Gloria, aufnehmen. Somit lotzt Julius uns zur größten Zone in
Palorinya, Luru. Es bedrängt mich, solche
Weiten gefüllt mit Hütten – in Kilometer-Quadrate aufgeteilt, schätze
ich – zu sehen. Aber ich bin von der
Ruhe und Akzeptanz der Menschen beeindruckt (ich kann einfach nicht
'Gelassenheit' hier allein schreiben, aber die Menschen strahlen keine Angst aus
– auch nicht die Ugander, die hier ihren Lebensraum teilen müssen und deren
Dörfer zwischen den Zones ausgespart wurden).
Wir kommen an einer Nahrungsverteilung vorbei. Jetzt bedrängt es mich. Es ist schon
beschämend, sich nicht von seinem Acker ernähren zu können, wie die Menschen es
hier seit Jahrtausenden tun. Dabei schmücken kleine Gärten fast jede der
10.000de mit Planen zusammengebastelten Schlaf- und Wohnhütten, die die
Flüchtlinge sich selbst hier bauen. Sie dürfen alle Bäume fällen, die NICHT mit blauer Farbe gekennzeichnet
sind, erklärt Julius. Gute Planung,
denke ich leise – hier wird aus einem großen Wald eine dauerhafte Siedlung
ermöglicht! Jeder hat eine Nahrungskarte,
womit er monatlich nur noch 6 anstatt 12kg Korn und Bohnen bekommt. Zu wenig, beklagt
Julius – und ich erinnere mich schon wieder an unser Vormittagsgespräch und die
Nöte, die der Offizier schilderte bzgl. Wasser und Nahrungsmittel. Saatgut wäre auch ein gutes Nebenprojekt,
murmelt Moses unbewusst, als wir die Enge der Verteilstelle hinter uns gelassen
haben.
Und jetzt steht Gloria vor uns. Was für ein Segen ein Mobiltelefon ist, auch
wenn ihres aussieht als käme es aus dem letzten Jahrhundert – es funktioniert
noch und das hat uns zusammengeführt. Als sie in unser Fahrzeug einsteigt, ist
endgültig die vorgesehene Passagierzahl überschritten, aber das ist hier jedem egal. Während wir ihr „Zuhause“ ansteuern, erfahre ich schon, dass sie nur eine
Handvoll der Patenkinder des Programms hier bisher gesehen hat. Andere sind in
Bidi Bidi, das wir nicht mehr erreichen werden.
Zuhause angekommen treffen wir auf 4 ihrer 7 Geschwister
sowie ihre Mutter. Dass das erste Thema,
welches sie uns beklagt, die Schule hier ist, beeindruckt mich. Diese 16jährige will lernen! Die Zustände der wenigen Campschulen sind genauso schlimm wie der Commander es uns sagte: 130 Kinder in der dritten
Klasse – pro Lehrer. Auch in der 11. – Senior
3 – wo sie hin müsste, ist der Fußweg mehrere Kilometer lang und der Klassenraum
erlaubt es ihr gar nicht, sich reinzudrängen.
Wenn Du nicht unmittelbar nah bei der Schule wohnst, hast Du gar keine
Chance – es ist zwecklos zu gehen.
Wir reden über vieles und dürfen auch ihre selbstgebauten
„Häuser“ und die kleine Kochstelle betreten; ein kleiner Garten ist ebenfalls schon
angelegt. Die Mutter ist sprachlos –
ich merke, dass sie noch Zeit brauchen
wird, um unsren Besuch zu verkraften.
Ihr „neues“ Leben hier im Camp ist für sie erträglich. Sie haben vor allem Hoffnung, dass der
Konflikt im 50km entfernten Heimaltland bald vorbei ist (ich bin da
skeptischer). Doch hier können sie erst einmal
leben, überleben.
Gegenüber der Straße steht ein Versammlungszelt wie sie
regelmäßig im Lager an zentralen Stellen aufgestellt wurden. Auf dem Schild
steht „Classic Music & Ricki Oh (Hot Karate) 1 pm“. Fußball wird hier auch
geschaut, sagen mir die Jungs, weil ich auf die Sat-Schüssel zeige.
Glorias Bruder, Godi, vielleicht 9, zeigt mir noch sein
Spielauto, ein selbstgebastelter LKW aus einer 1-Liter-Öl-Dose und Flaschenverschlüssen!
Das ist Afrika: Die Menschen hier werden überleben;
Kinder sind die gleichen überall auf der Welt. Auch hier spielen sie Fußball auf
jeder dafür freigemachten Fläche! Und,
wir können helfen. Wir müssen helfen,
auf politischer Ebene, dass solche Kriege wie dieser in Sudan nicht
übersehen werden. Humanitär, und als Christen – das versteht
sich von allein.
Ich habe eine Idee: Neben der großzügigen Summe, die wir der
Mutter selbstverständlich für die nächsten Wochen im Camp geschenkt haben,
biete ich Godi 15.000 Schilling für seinen LKW an. Mit diesem Fahrzeug möchte ich
die Geschichte seiner Flucht in Deutschland erzählen – er könne sich doch
spielend (zur Schule kann er ja nicht) einen neuen bauen. Godi willigt
natürlich ein – aber unser Fahrer fragt noch 2x nach, ob er wirklich zu dieser
Familie gehöre – denn mit so viel Geld würde Godi, zuhause angekommen, ein
großes Problem bei seinen Eltern bekommen.
Der Gedanke lässt mich nicht los: … ja, … ich möchte nicht mit all meinem Geld zuhause ankommen…. Zuhause werde ich für Notlinderung an diesem Ort mich einsetzen.
Der Gedanke lässt mich nicht los: … ja, … ich möchte nicht mit all meinem Geld zuhause ankommen…. Zuhause werde ich für Notlinderung an diesem Ort mich einsetzen.
(Ich setzte diesen Text sehr roh erstmal
ins Netz – die Rückreise hat begonnen und ich sitze im Auto seit Stunden und blogge dank moderner Technik – Bob, Hendrik und ich fliegen gleich nach
Äthiopien in unser Projekt dort – der Rest der Gruppe wird hier über ihren
Einsatz in Kabwangasi bald Frisches zu berichten haben!).
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